Hexenverfolgung und die „Bußßag“ Daniel Bittels von 1629
Frühe Hexenverurteilungen gab es schon im 13. Jahrhundert mit dem Entstehen der Inqui-sition, die sich jedoch eigentlich gegen Ketzer richtete. Die theologische Akzeptanz der Existenz von Teufel und Dämonen, die sich erst im Verlauf des Mittelalters gebildet hatte, war jedoch schon ausgeprägt. Hexerei per se war aus Sicht der Kirche kein so gravierendes
Vergehen wie andere Ketzereien. So wies Papst Alexander IV. 1260 zum Beispiel die In-quisitoren an, Hexen nicht aktiv zu verfolgen und ihre Prozesse bei Zeitmangel zurückzu-stellen, da die Bekämpfung der Ketzer im Vordergrund zu stehen hatte.
Die europäische Hexenverfolgung, die meist von 1450 bis 1750 datiert wird, ereignete sich in größerem Umfang erst in der Frühen Neuzeit und, nicht nur im Bamberger Raum, vor allem zu Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs. Man könnte sagen, dass eine Art Hysterie be-züglich Zauberei entstand, welche auch juristisch aufgegriffen wurde und zu Verdächtigun-gen und Denunziationen führte.
Frühneuzeitlichen Hexentheoretikern zufolge waren die wichtigsten Merkmale einer Hexe der Hexenflug, der Schadenszauber und das Treffen, der Pakt und der Geschlechtsverkehr mit dem Teufel. Frauen galten als besonders leicht vom Teufel zu verführen, was dazu führte, dass der Großteil der Opfer von Hexenprozessen Frauen waren. Bis heute findet dies in der stets weiblichen Hexe seinen Ausdruck. Ungeachtet dessen, waren jedoch auch Männer auf der Anklagebank. Wichtig war vor allem die Verbreitung der Idee einer allge-meinen Verschwörung der Hexen und des Teufels, die die Existenz der Kirche bedroht und gegen die vorgegangen werden muss. Die neuere Forschung geht davon aus, dass vor allem dieser Aspekt des Ausrottens des Bösen in der Gesellschaft bei den handelnden Akteuren der Hexenverfolgung im Vordergrund stand.
In Bamberg war die Hexenlehre zwar bekannt, wurde jedoch lange nicht angewendet. Nur vereinzelt lassen sich Prozesse finden, in denen konkret ein Bezug des Täters zum Teufel genannt wird. Viele Fälle lassen sich jedoch finden, bei denen es sich um simple Verfahren wegen Zauberei handelte und die Strafe auch deutlich geringer ausfiel, als bei „normalen“ Hexenprozessen. Noch 1625, kurz vor der großen Welle der bamberger Hexenprozesse, lassen sich derart milde Fälle finden. Erst so spät – der Hexenhammer ist seit dem ausgeh-enden 15. Jahrhundert bekannt – wurde die theoretische Grundlage in juristische Praxis umgesetzt. Ein Faktor, der in Bamberg zur Hexenverfolgung führte, war die kleine Eiszeit, die die Ernten vernichtete und die Bevölkerung deswegen nach Sündenböcken, aber auch viele Zuflucht bei Zauberern und Hexen suchen ließ. Ein weiterer, womöglich wichtigerer Faktor ist die höhere Empfindlichkeit der Behörden gegenüber Hexerei durch die aufkom-mende Zielsetzung, „eine nach Gottes Geboten lebende Gesellschaft zu schaffen“, wie Dippold es umschreibt. Hexenprozesse fanden in Bamberg massenweise ab1626 statt. Schon in den ersten drei Jahren gab es rund 600 Opfer von Hexenprozessen. Meist unter Folter zwang man den Angeklagten ein Geständnis ab, worin sie schilderten wie sie vom Teufel verführt worden waren und außerdem die Namen anderer Hexen zu nennen hatten, da diese sich ja der Lehre nach zum Hexensabbat zusammenfanden. Oft wurden über so im Geständnis genannte Personen Dossiers angelegt und Nachforschungen angestellt. Mehr-malige Nennung bei derartigen Verhören konnte selbst für angesehene Persönlichkeiten einen eigenen Prozess mit Gefangenschaft und Folter bedeuten. Der Verdacht auf Hexerei war ein besonderer. Verteidiger wurden nicht zugelassen und Rechte des Angeklagten aus-ser Kraft gesetzt. Oft reichten wage Indizien, um mit der Folter zu beginnen. Erst mit den nahenden schwedischen Truppen, die die Stadt 1632 eroberten, endete die Hexenverfol-gung.
Vor diesem Hintergrund ist nun der vorliegende Text eines Geständnisses von 1629 zu betrachten. Der Prozess geschah wohl auch hier im Gegensatz zur Inquisition vor einem weltlichen Gericht und vermutlich aufgrund von Denunziationen und Nennung in anderen Geständnissen.
Daniel Bittel, ein 14 Jahre alter Junge aus Bamberg, wurde am 11. und nochmals am 22. Mai 1629 wegen des Vorwurfs der Hexerei befragt und gefoltert. Nach der Folter durch den Daumenstock gestand er, ein Trudner (Hexer, Teufelsbündner) und großer Sünder zu sein sowie seine achtjährige Schwester begehrt zu haben. Daraufhin wurde er durch Beinschrau-ben gefoltert und gestand schließlich, durch seine Schwester, mit welcher er den Inzest vollzogen und diese sich danach in eine „heßliche gestallt“ mit Drachenkörper verwandelt habe, zur Hexerei verführt worden zu sein. Durch die Drohung, ihn umzubringen, habe diese Gestalt ihn dazu gebracht, Gott zu entsagen. Einige Tage später sei er bei „glück ins teufelsnahmen“ von der Hexe getauft worden und habe seitdem oft zusammen mit seiner Buhlin und der Hexe nachts zu schwarzen Messen „außfahren“ müssen. Das Geständnis nennt nun immer wieder Namen, die Daniel Bittel bei diversen Messen, die auch datiert und lokalisiert werden, gesehen haben will. Weiter gestand er, dass ihm zu Beginn der Befragung und schon im Kerker der „böeste Feindt“ (Teufel) erschienen sei und ihm Mut zugesprochen habe. Außerdem habe er, wenn er Hostien zu sich nahm, diese zerkauen und ausspucken müssen, was er bei der Kommunion auch getan habe. In seinem zweiten Verhör am 22. Mai 1629 nannte er weitere Daten und Orte, vor allem jedoch die Namen von Teil-nehmern von „solchen teüflischen Dentzen nächtlicher weil“, die er dort gesehen haben will.
Die wichtigsten Bestandteile des Geständnisses sind das erzwungene Geständnis an sich, in dem Daniel Bittel Handlungen zugibt, die den Merkmalen der Hexerei und Teufelspak-tierung entsprechen, wie die Verführung durch den Teufel in Gestalt seiner Schwester, die schwarze Taufe und die schwarzen Messen, und die erzwungene Nennung der Namen anderer angeblicher Hexen und Hexer, wodurch die Behörden üblicherweise weitere Mit-glieder der vermeintlichen Hexenverschwörung zu identifizierten. Wie wichtig eine solche Identifikation war, zeigt auch die Tatsache, dass das Protokoll des zweiten Verhörs fast ausschließlich andere Hexen und Teufelspaktierer festhält. Es bleibt – wenn ihn keine weiteren Dokumente nennen – zwar der Spekulation überlassen, was mit Daniel Bittel nach den Verhören passiert ist, man kann jedoch davon auszugehen, dass er zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde, da er geringstenfalls Inzucht, Hostienschändung und Gottesläste-rung zugegeben hatte.
Reference:
https://www.bamberga.de/hexenverhoer_daniel_bittl.htm